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Kunstprojekt Ding-Platz in San José, Costa Rica

Einleitung und Danksagung:

Im November 2000 wurde in der Hauptstadt Costa Ricas, San José, ein Teil des Parque La Amistad (Park der Freundschaft) in fünfwöchiger Arbeitszeit künstlerisch umgestaltet. Der Park befindet sich im Stadtteil Rohrmoser, nahe der deutschen Humboldtschule und der US-Amerikanischen Botschaft. Der Ding-Platz dokumentiert ein Kunst-im-öffentlichen-Raum Projekt auf internationaler Basis, das lokaltypische und umweltfreundliche Aspekte in den Vordergrund stellt.

Das Projekt wurde durch eine Einladung und ein Stipendium der Julia and David White Artists‘ Colony (www.forjuliaanddavid.org) in Ciudad Colón, Costa Rica, ermöglicht. Weitere finanzielle Unterstützungen kamen von der Stadtverwaltung San José und von der Spanischen Agentur für Internationale Kooperation. Ein wesentlicher Beitrag wurde von dem Tropenholzfachmann Ing. Karl-Heinz Stöffler, Firma Coseforma, Ciudad Quesada, (GTZ-Kooperation) erbracht, in dem er in Sägewerken 11 unbenutzbare alte tropische Baumstämme sammelte und nach San José schickte. Allen Personen und Institutionen, die im Projekt involviert waren, sei hier nochmals herzlichst gedankt.

Die 4 Bilder zeigen den am 1.12.2000 fertiggestellten und eingeweihten Ding-Platz im Stadtviertel Rohrmoser in San José, Costa Rica.
Dieses Bild zeigt den Ding-Platz im Februar 2004 (Photo: Kerstin Heymann).

Konzept:

Die Idee entwickelte sich aus einem bildhauerisch interessanten Plan für eine Platzgestaltung. Nordeuropäische Völker benutzten vor der Zeitwende bis ins Mittelalter einen öffentlichen Platz, einen Ding-Platz (auch Ting oder im englischen Thing), auf dem Dinge diskutiert, entschieden, beraten, Recht gesprochen, Friedensverträge geschlossen und Konsensus zwischen Streitparteien gefunden wurde. Jeder Dorfbewohner hatte das Recht ein Ding-Treffen einzuberufen. Diese Beratungen wurden immer während des Tages und unter offenem Himmel durchgeführt. Das Wissen über die Gestaltung dieser vordemokratischen Versammlungsplätze ist durch spärliche archäologische Funde limitiert. Die äußere Architektur hing von der natürlichen Umgebung ab: er lag etwas außerhalb des Dorfes auf einer Anhöhe oder in einer Erdsenke. Dadurch war der Lärm des Dorflebens ausgeschlossen. Der Platz war rund und hatte einen Eingang, meist auf der Ostseite. Die innere Architektur war durch Markierungen bestimmt. Steine, Baumanpflanzungen und anderes Naturmaterial diente zur Einfriedung. Der Kreis erlaubte kein Versteck. Jeder sah des Anderen Gesicht. Diese archaische Architektur muß einen Eindruck von Sicherheit an die Teilnehmer vermittelt, Falschaussagen psychologisch verringert und offene Diskussionen gefördert haben. In Deutschland existieren noch Reste von historischen Dingplätzen. Die Tradition läßt sich bis heute nach Island und Afrika verfolgen.

Die Idee des historischen Ding-Platzes wurde künstlerisch transformiert, wobei die archaische Architektur (rund, Erhebung, Abgeschlossenheit mit Öffnung, Steine, Bäume) erhalten wurde. Die Umsetzung erfolgte unter ausschließlicher Benutzung lokaltypischer Materialien. Das Projekt war eine künstlerische Transformation einer uralten nordeuropäischen Praxis in die heutige Zeit und in eine tropische Lokalität.

Umsetzung der Idee in Deutschland:

Die Vorarbeiten wie Design, Zeichnungen, Ingenieurplan, Zeitplanung, Arbeitsmittelplanung, Materialplanung wurden ab Mai 2000 von mir in Berlin durchgeführt. Die Kommunikation mit dem Projektkoordinator der Julia and David White Artists’ Colony, Joaquín Rodríguez, erfolgte ausschließlich, bis zur persönlichen Ankunft am 27.10.00, über das Internet und per Fax. Somit ist das Gelingen des Projektes ein Ausdruck der heutigen technischen Möglichkeiten und kann als Beispiel für zukünftige künstlerische Arbeitsweisen im 3. Jahrtausend herangezogen werden.

Bauplan:

20 x 20 m großes Areal, 1 m erhoben, an der NO-Ecke des Parkes La Amistad. Innerhalb des Quadrates wird ein 11 m großer Kreis eingerichtet, der mittels einer 7 m langen Rampe einen Zugang von der Ostseite erlaubt. Pflasterung des Kreises und der Rampe. Markierung des Kreises mit vertikal aufgerichteten Baumstämmen, dazwischen Vulkansteine. Die Länge der Stämme variiert, von einem Minimum von 3 m bis zu einem Maximum von 8 m. Die kürzeren Stämme stehen am Eingang, der längste dem Eingang gegenüber. Die Dicke der Stämme beträgt 40 bis 60 cm. Außerhalb des Kreises Anlage von Pflanzenringen und Ausfüllung der Ecken des Quadrates mit ortstypischen Pflanzen.

Aufbau des Ding-Platzes in Costa Rica:

Die Arbeit begann am 30.10.00 mit einem ersten Treffen im Rathaus von San José. Guillermo Ramírez (Leiter der Kulturabteilung), Rodolfo Sancho (Leiter der Technikabteilung), Luis Valverde (Leiter der Parkabteilung), Joaquín Rodríguez und ich lernten uns kennen, gingen durch die gesamten Pläne und legten die ersten Arbeitsschritte für eine Woche fest. Die Baumstämme lagen bereits auf einem Langholztransporter bereit. Vor Ort fand an diesem ersten Arbeitstag noch ein erstes Treffen mit dem Vorarbeiter Hubert und einigen Parkarbeitern seiner Gruppe statt. Nachmittags wurden im strömenden Tropenregen die Baumstämme abgeladen. Am nächsten Tag wurden Vermessungsarbeiten durchgeführt und nachmittags im Stadtteil San Antonio de Belén während eines Tropengewitters Vulkansteine an einer Bahnanlage und Straße eingesammelt. Diese Aktion war gleichzeitig auch eine Bereinigung und Begradigung der Örtlichkeit. Im weiteren Ablauf wurden die Stämme entrindet. Das Holz war unerwartet hart. 9 Stämme wurden verwendet (1 Nispero [Manilkara ackra], 1 Manú [Minquártia quianensis], 1 Gavilan [Penthadetra macroloba], 6 Corteza [Tabebuia chrysantha]). Die Stämme erhielten am unteren Ende eine Ummantelung mit Kunststoffmaterial und eine Spickung mit Armierungsstahl. So konnten in den Erdlöchern, die je nach Stammlänge bis zu 1,80 m tief ausgehoben wurden, die Stämme mittels Beton sicher verankert werden. Die Errichtung der Stämme und deren Betonverankerung verlangte trotz maschineller Hilfe eine außergewöhnliche Improvisationsgabe. Hubert war der Mensch, der diese Aufgabe meisterhaft erledigte und selbst unüberwindlich erscheinende Hindernisse zusammen mit seiner Gruppe überwand.

Zwischen die Tropenholzstämme wurden die Vulkansteine gelegt. Danach erfolgte die Pflasterung des 11 m großen Kreises und der 7 m langen Eingangsrampe mit rundgeschliffenen Flußsteinen. Diese Pflasterart war typisch für den indianischem Straßenbau vor 1000 Jahren in Costa Rica. Allerdings erfolgte zur besseren Haltbarkeit die Pflasterlegung in Beton anstatt in Erde.
Vier Sitzbänke entstanden aus einem abgesägten Eukalyptusstamm [Eucalyptus deglupta], der in der städtischen Baumschule keine Verwendung hatte. Sie befinden sich im Kreisrund.

Um den Baum-Stein-Kreis wurden ringförmig Pflanzenkreise angelegt. Verwendet wurden dafür Hoja Sen [Caesalpinia pulcherrima], unterschiedliche Bougainvillea, Ixora, Jalapa [Allamanda cathartica], Calita [Spathiphyllum] und Galatea. Kleine Büschel von Cintilla wurden eingesetzt und am Böschungsrand der Rampe Manicillo gepflanzt. Die Ecken des Quadrates wurden jeweils mit einer Mischung von Heliconia, Maraka und Red Ginger [Alpinia] ausgefüllt. Diese elf verschiedenen Pflanzensorten wurden nach botanischen und künstlerischen Gesichtspunkten so gewählt, daß jederzeit mindestens eine Sorte blüht. Die Blütenfarben sind von weiß, über alle Variationen von gelb und orange, bis zu tiefrot.

Das Projekt wurde trotz der Sprachbarriere, unterstützt durch die Improvisationsfreudigkeit und die außerordentliche Hilfsbereitschaft, Kollegialität, Motivation und Arbeitsfreude der Parkarbeiter, nach Plan durchgeführt. Der Ding-Platz ist als Symbol für Verständigung und Freundschaft zu sehen, und wurde schon während des Baus von der Bevölkerung interessiert angenommen. Am 1. Dezember 2000, dem 52. Jahrestag der Abschaffung der Costa Ricanischen Armee, konnte der Ding-Platz feierlich der Öffentlichkeit übergeben werden.